
Waffenruhe-Abkommen in Gefahr: Israel und Hamas werfen sich Verstöße vor

Das Waffenruhe-Abkommen für den Gazastreifen ist nur anderthalb Wochen nach seinem Inkrafttreten bereits wieder gefährdet. Israel und die radikalislamische Hamas warfen sich am Sonntag gegenseitig Verstöße gegen die Vereinbarung vor. Zugleich flog Israel eine Serie von Luftangriffen, bei denen nach Hamas-Angaben mehr als 40 Menschen getötet wurden. Israel meldete den Tod von zwei seiner Soldaten und untersagte vorerst alle humanitären Hilfslieferungen in das Palästinensergebiet.
Die israelischen Streitkräfte teilten zu ihren Angriffen mit, sie hätten "dutzende" Ziele der Hamas im gesamten Gazastreifen attackiert, darunter Waffenlager und unterirdische Anlagen. Unter anderem sei "eine Serie von Angriffen gegen Hamas-Terrorziele im südlichen Gazastreifen" geflogen worden. Dies sei eine "Antwort auf die eklatante Verletzung der Waffenruhe" durch die Hamas. "Terroristen" hätten "Panzerabwehrraketen abgefeuert" und das Feuer auf israelische Soldaten eröffnet.
Zuvor hatte bereits Regierungschef Benjamin Netanjahu der Palästinenserorganisation Hamas einen "Bruch der Waffenruhe" vorgeworfen und die Armee angewiesen, "mit aller Härte" gegen "terroristische Ziele im Gazastreifen vorzugehen". Verteidigungsminister Israel Katz drohte der Hamas, sie werde "einen hohen Preis zahlen" für "jeden Schuss" auf israelische Soldaten und "jeden Bruch der Waffenruhe".
Am Abend teilte die israelische Armee dann mit, sie habe ihre Angriffe inzwischen wieder eingestellt. Dies entspreche den Vorgaben der "politischen Ebene". Die Armee werde nach ihren "bedeutsamen Angriffen in Antwort auf die Verstöße durch die Hamas" nun wieder die Einhaltung des Waffenruhe-Abkommens überwachen. Zugleich warnte die Armee, dass sie auf erneute Verstöße gegen das Abkommen "entschlossen antworten" werde.
Die Hamas stritt die Vorwürfe ab und warf ihrerseits Israel Verstöße gegen die Feuerpause vor. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Zivilschutzes im Gazastreifen wurden bei den israelischen Angriffen am Sonntag mindestens 45 Menschen getötet. Vier Krankenhäuser im Gazastreifen, die Tote und Verletzte aufnahmen, bestätigten der Nachrichtenagentur AFP diese Zahl.
Ein palästinensischer Augenzeuge in Rafah an der Grenze zu Ägypten berichtete AFP, es habe Gefechte gegeben, auf die zwei Luftangriffe durch ein israelisches Flugzeug erfolgt seien. Die israelische Armee gab am Abend bekannt, dass bei Gefechten im Süden des Gazastreifens zwei ihrer Soldaten getötet worden seien.
Mit dem Vorwurf, die Hamas habe gegen das Waffenruhe-Abkommen verstoßen, begründete Israel auch seine erneute Schließung der Grenzübergänge zu dem Palästinensergebiet für humanitäre Hilfstransporte.
Die Hilfslieferungen für die Bevölkerung im Gazastreifen sind eigentlich Teil des Abkommens zwischen Israel und der Hamas. Sie waren unmittelbar nach der Einigung auch angelaufen - nun wurden sie bis auf weiteres gestoppt, wie ein israelischer Sicherheitsvertreter mit, der anonym bleiben wollte, der AFP mitteilte.
Gemäß des von US-Präsident Donald Trump vermittelten Friedensplans gilt im Gazastreifen seit dem 10. Oktober eine Waffenruhe. Die israelische Armee hat sich teilweise zurückgezogen und kontrolliert nun etwa die Hälfte des Gazastreifens, einschließlich seiner Grenzen - jedoch nicht die wichtigsten Städte.
Die Hamas hat ihrerseits wie vereinbart 20 in das Palästinensergebiet verschleppte Geiseln freigelassen. Von den 28 toten Geiseln, die laut dem Abkommen ebenfalls hätten zurückgegeben werden müssen, sind jedoch erst zwölf wieder in Israel. Am Sonntag kündigte die Hamas an, dass sie noch im Laufe des Tages eine weitere tote Geisel übergeben werde - "wenn die Bedingungen vor Ort es zulassen".
Netanjahu bekräftigte seinerseits, dass Israel auf der Entwaffnung der Islamisten bestehe. In einem Interview mit dem israelischen Fernsehsender Channel 14 verwies er darauf, dass die zweite Phase des Waffenruheabkommens die "Entwaffnung der Hamas und die Entmilitarisierung des Gazastreifens" beinhalte. Die Hamas lehnt ihre Entwaffnung strikt ab.
F.Criscuolo--INP