
Prozess um Anschlag in Kirche in Nizza: Angeklagter beruft sich auf Gedächtnisverlust

Knapp viereinhalb Jahre nach dem Tod von drei Menschen bei einem mutmaßlich dschihadistisch motivierten Anschlag in einer Kirche in Nizza hat der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter begonnen. Der Angeklagte Brahim Aouissaoui erklärte am Montag vor Gericht in Paris, er könne sich nicht an die Tat erinnern.
"Ich habe nichts zu sagen, weil ich mich an nichts erinnere", sagte Aouissaoui zu Beginn der Gerichtsverhandlung. Der 25 Jahre alte Tunesier hatte bereits während der Ermittlungen betont, an starkem Gedächtnisverlust zu leiden. Sein Anwalt Martin Méchin erklärte, sein Mandant verstehe nicht, "worum es bei dem Prozess geht".
Laut einer medizinischen und psychiatrischen Untersuchung hat der Angeklagte jedoch keine Hirnverletzung, es gab auch keine Hinweise auf ein eingeschränktes Urteilsvermögen. Aufgezeichnete Telefonate während seiner Haft deuten ebenfalls nicht auf einen Gedächtnisverlust hin.
Erstmals in Frankreich tritt in dem Verfahren die katholische Kirche als Nebenklägerin auf. Der Vorsitzende der französischen Bischofskonferenz, Eric de Moulins-Beaufort, bezeichnete es vor Gericht als "ziemlich eindeutig, dass Brahim Aouissaoui plante, Menschen in einer Kirche zu ermorden". Es müsse als erschwerender Umstand anerkannt werden, dass es sich um einen Anschlag auf eine Religionsgemeinschaft gehandelt habe.
Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft war der seit längerem radikalisierte Aouissaoui nach Frankreich gekommen, um einen Anschlag zu verüben. Er verließ Tunesien, ohne seine Familie zu informieren, erreichte Italien per Boot und reiste per Zug nach Frankreich weiter. Am Vormittag des 29. Oktober 2020 betrat er mit einem Küchenmesser die Basilika von Nizza und tötete drei Menschen. Zweien von ihnen trennte er den Kopf ab.
Bei den Opfern handelte es sich um eine 60-Jährige sowie um eine 44-Jährige, die dem ersten Opfer zu Hilfe kommen wollte. Auch der 55 Jahre alte Küster der Kirche wurde getötet. Aouissaoui wurde von der Polizei schwer verletzt.
Vier Tage zuvor hatte ein dem Terrornetzwerk Al-Kaida nahestehendes Medium einen Aufruf veröffentlicht, Franzosen "in ihren Kirchen zu enthaupten". Den Ermittlungen zufolge stand Aouissaoui in Tunesien mit Dschihadisten in Kontakt. Kurz vor der Tat habe er einem Bekannten mitgeteilt, dass er "einen Plan im Kopf" habe.
Vor dem Anschlag in Nizza hatte es in Frankreich im September und Oktober zwei weitere islamistisch motivierte Anschlägen gegeben. Zunächst hatte ein junger Pakistaner zwei Menschen mit einem Beil schwer verletzt, weil er sie für Angestellte des Satireblatts "Charlie Hebdo" hielt. Knapp zwei Wochen vor dem Anschlag in Nizza hatte ein junger Tschetschene den Lehrer Samuel Paty getötet, nachdem dieser in einer Unterrichtsstunde über Meinungsfreiheit Mohammed-Karikaturen gezeigt hatte.
R.Accetta--INP